Positionspapier Schuldnerberatung

Soziale Schuldnerberatung

Die Überschuldung privater Haushalte hat sich als Problemfeld manifestiert. Auslöser von Überschuldung können sowohl individuelle als auch volkwirtschaftlich/gesellschaftliche Faktoren sein. Die erfordert strukturell nachhaltige Maßnahmen und Hilfeangebote für die Betroffenen.

Ein Beratungsangebot für ver- und überschuldete Personen basiert auf dem Sozialstaatsprinzip sowie den Sozialgesetzbüchern und zielt auf eine nachhaltige Verbesserung der Situation der Ratsuchenden, unter Berücksichtigung insbesondere des Kindeswohls, ab. Damit ist Schuldnerberatung unverzichtbarer Bestandteil Sozialer Arbeit.

Soziale Schuldnerberatung bedeutet nicht zwingend, dass eine Entschuldung erreicht oder auch nur angestrebt werden muss. Im Rahmen einer ganzheitlichen Einbeziehung der Ratsuchenden mit ihren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Problemen und ihrer Lebenssituation (Ganzheitlichkeit) strebt die Beratung die Erreichung der mit den Ratsuchenden erarbeiteten Ziele (Ergebnisoffenheit) an. Dies beinhaltet, dass der Prozess insgesamt freiwillig ist (Freiwilligkeit). Eine Zwangsberatung, die über eine verpflichtende Information über die Möglichkeiten und Inhalte einer Beratung hinausgeht, ist weder Erfolg versprechend noch ist sie Schuldnerberatung.

Dieser an den Ressourcen der Ratsuchenden orientierte Entwicklungsprozess soll sie dazu befähigen, sozialökonomisch und –kulturell wieder an der Gesellschaft teilhaben zu können. Durch die neue Handlungskompetenz in ihren wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten wird den Ratsuchenden Selbstvertrauen und Selbstverantwortung zurückgegeben. Dadurch kann Ausgrenzung, Verarmung, Erkrankung und individuelle Verelendung vermieden werden.

Schuldnerberatung muss grundsätzlich vertraulich sein (Vertraulichkeit). Der Umgang mit den Daten muss nach dem Bundesdatenschutzgesetz bzw. Landesdatenschutzgesetzen schriftlich in einer Vereinbarung mit dem Ratsuchenden geregelt sein. Über die selbstverständlich zu erfüllenden gesetzlichen Verpflichtungen der Beratung (z.B. Zeugenpflicht) sind die Ratsuchenden aufzuklären. Soweit die Beratung in Kooperation oder Auftrag eines Dritten (z.B. einer Arbeitsagentur) erfolgt, muss darauf geachtet werden, dass eine Einwilligung der Betroffenen in die Datenweitergabe tatsächlich freiwillig erfolgt und nicht auf der Angst vor oder der Androhung von Sanktionen beruht. Der Umfang der Datenweitergabe sollte in diesen Fällen vertraglich geregelt sein. Das Vorgehen der Berater/innen muss nachvollziehbar sein und sollte sich auf dem Stand der (wissenschaftlichen) Entwicklung des jeweiligen Fachgebietes bewegen.

Die notwendige Sicherung des Lebensunterhalts der Betroffenen kann nur gewährleistet werden, wenn diese nicht durch Zahlungen die Schuldnerberatung finanzieren muss. Soziale Schuldnerberatung muss daher für die Betroffenen kostenfrei (Kostenfreiheit) angeboten und durchgeführt werden.

Das Beratungsangebot der sozialen Schuldnerberatung muss zwingend die unten aufgeführten Beratungsleistungen beinhalten. Das Angebot kann, insbesondere in der so genannten integrierten Beratung, darüber hinausgehen. Ob, wann und in welchem Umfang die einzelnen Beratungsangebote in dem jeweiligen Fall wahrgenommen werden, hängt von den oben beschriebenen Voraussetzungen ab.

Ein sonstiges Beratungsangebot an ver- und überschuldete Personen kann, z.B. bei der Insolvenzberatung durch die Rechtsanwaltschaft, demgegenüber beschränkt sein. Diese Beratung kann qualitativ hochwertig sowie für den Einzelnen sinnvoll, hilfreich und im Einzelfall ausreichend sein. Eine solche Rechtsberatung ist jedoch keine soziale Schuldnerberatung.

Zu dem Beratungsangebot gehören:

  • Anamnese
  • Existenzsicherung (Sozialleistungen, Unterhaltsüberprüfung)
  • Stabilisierung der hauswirtschaftlichen Verhältnisse
  • Vollstreckungsschutzmaßnahmen
  • Unterstützung Arbeitsaufnahme, Sicherung Erwerbstätigkeit
  • Kontosicherung, Kontobeschaffung
  • Stabilisierung der psychosozialen Situation
  • Stabilisierung des familiären und sozialen Umfeldes
  • Stärkung der persönlichen Handlungsfähigkeit
  • Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen oder Erzwingungshaft
  • Vermittlung an weitere Fachdienste (Drogen-, Haftentlassenen-, Wohnungslosen- oder Familienberatung)
  • Forderungsüberprüfung

Beim Angebot von Insolvenzberatung ist zusätzlich anzubieten:

  • Außergerichtliche Schuldenregulierung oder Hilfestellung hierbei
  • Bescheinigung im Falle des Scheiterns der außergerichtlichen Schuldenregulierung
  • Insolvenzantragsstellung oder Hilfestellung hierbei
  • Unterstützung im Rahmen des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens
  • Unterstützung bei der Durchführung eines Schuldenbereinigungsplans
  • Information und Unterstützung im Rahmen des Insolvenzverfahrens
  • Information und Unterstützung im Rahmen der Wohlverhaltensphase
  • Abwicklung der erteilten Restschuldbefreiung im Bedarfsfall
  • Nachbetreuung nach Erteilung der Restschuldbefreiung in begründeten Ausnahmefällen

Darmstadt, Januar 2010
Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hessen e.V

Die Aufgaben, Tätigkeiten und Auswirkungen sozialer Schuldnerberatung werden in einer umfangreichen gemeinsamen Erklärung der LAG-SB Hessen e.V. und der Liga der freien Wohlfahrtspflege Hessen im Jahr 2010 festgelegt.

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